Paul, was ging Dir damals an der Grenze durch den Kopf?
Veröffentlicht am 11.02.2024
Laufzeit:
1
Stunde
und
47
Minuten
Die Grenze der DDR zum Westen wurde gut bewacht. Doch nicht etwa nach außen, zum „imperialistischen Westen“ hin. Die Augen der Grenzsoldaten waren ins Hinterland des eigenen Staates gerichtet. Niemand sollte die DDR auf diesem Weg verlassen. Paul Küch, mein Gast in dieser Folge, war Grenzsoldat im Eichsfeld und hat über seine Zeit dort ein Buch geschrieben. Es heißt „Ich hatte einen Schießbefehl“ und er stellt damit auch schon deutlich heraus, mit welchen Mitteln im äußersten Fall Fluchten auch verhindert werden sollten. Paul selbst musste zum Glück nie diesem Befehl Folge leisten, was er aber von seiner Zeit bei den Grenztruppen berichtet, hat mich aber auch schon so noch einmal intensiver über den Wahnsinn nachdenken lassen, den die Regierung der DDR mit der Sicherung der Grenze betrieben hat.
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Moderation Zu Gast
- Shownotes
- Das Buch von Paul Küch: "Ich hatte einen Schießbefehl – Gezählte Tage im Eichsfeld"
- Grenzmuseum Schifflersgrund
- Faltblatt "Grenzdienst für den Frieden"
- Handbuch für den Grenzdienst
- NVA in Wort und Bild - Grenzsoldaten
- Wandbild Grenzsoldaten der DDR
- Der Podcast "Grenzbegegnungen" vom Grenzmuseum Schifflersgrund
- Mehr von mir und zu Workshops und Auftragsproduktionen
Sehr bewegende Folge, die mich nicht unberührt gelassen hat: Es fiel mir schwer, Abstand zu gewinnen und wirklich zu glauben, dass das Vergangenheit ist (aber ist es das überhaupt? In der roten Armee sind nach meinen Informationen solche Schikanen – wie geschildert – täglich Brot und die (und anderes Militär) beherrscht ja immer mehr die Medienberichterstattung – und die Köpfe (z.B. in Form von AfD-Anhängern)). Das geschilderte “gesunde Misstrauen” weitet sich da – zumindest tendenziell (meiner Meinung nach) – immer mehr zur Paranoia aus – mit beliebig wechselnden “Verfolgern” und dem Endstadium der Psychopathie oder des sekundären Mutismus.
Wieder eine interessante Folge, die ich gern gehört habe. Überlege noch, mir das Buch zu besorgen.
Bereits ziemlich zu Anfang bin ich allerdings gestolpert über die Aussage, man habe sich den Dienst bei den Grenztruppen nicht aussuchen können. Mir haben frühere DDR-Wehrpflichtige erzählt, ihnen sei diese Tätigkeit angeboten worden, verbunden sowohl mit dem Hinweis, dort gebe es mehr Urlaub, mehr Geld, mehr Schnaps, aber auch die Möglichkeit, dass man auf Menschen schießen müsse.
Passend zum Podcast gab es im Regionalteil der ZEIT (“Zeit im Osten”) gerade einen sehr interessanten Artikel von einem Autor, Roman Grafe, der seit Jahren Lesungen und Rollenspiele an Schulen zum Thema DDR-Grenze und Mauertote veranstaltet und nun Ärger mit Lehrkräften hat, die selbst Grenzsoldaten waren. Dazu gibt es noch einen kurzen Infotext, der auch auf die Frage, ob man zum Dienst an der Grenze verpflichtet wurde, eingeht. “Ab 1971 wurden die Wehrpflichtigen gefragt, ob sie bereit sind, zu den Grenztruppen zu gehen. Wer das verneinte, wurde dort nicht eingesetzt.” (Marie-Luise Grauel: Befehl und Ungehorsam. In: DIE ZEIT vom . Februar 2024, S. 15)
Die Texte sind (noch) hinter der Paywall. Wer ein Abo hat, kann sie aber lesen.
https://www.zeit.de/2024/07/berliner-mauer-todesopfer-ddr-grenzsoldaten-geschichtsunterricht
https://www.zeit.de/2024/07/ddr-grenzsoldaten-sed-wehrpflicht-befehlsverweigerung
Vielen Dank für den Podcast!
Beste Grüße
Boethi
Wieder mal vielen Dank für diesen hörenswerten Podcast. Ich finde es besonders erstaunlich, dass man im Osten des Landes, trotz der dramatischen Erfahrungen mit einem totalitären System, heute so zahlreich geneigt ist, die Linke/BSW und die AfD zu wählen. Das lässt tief blicken und zeigt, der Mensch vergisst zu schnell..