SBK021 Wahlen

Wir sprechen über Blockparteien, gefaltete Zettel und Wahlbeobachtungen in beide Richtungen.

Veröffentlicht am 19.05.2013
Laufzeit: 0 Stunden und 54 Minuten



Wahlen"Wen würden Sie wählen, wenn morgen Volkskammerwahl wäre?" Auch in der Deutschen Demokratischen (!) Republik gab es Wahlen, die Bürger_innen konnten also anscheinend die Zusammensetzung ihrer Parlamente und damit die Politik in ihrem Land bestimmen. Doch bereits der in der Verfassung festgeschriebene Führungsanspruch der SED gab die Richtung vor, in die der Volkswille zu laufen hatte.

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11 Gedanken zu „SBK021 Wahlen

  1. Ich hoere euren tollen Podcast erst seit wenigen Tagen. Mein Einstieg war der NVA Podcast und hoere mich jetzt vor und zurueck. Zum NVA Podcast habe ich ja einen laenglichen Sermon abgesetzt, den ich jetzt mit den zu ‚Wahlen‘ noch mehr verlaengeren moechte.

    Irgendwann in meiner Armeezeit zw. Herbst ’85 und Fruehjahr ’87 muessen Wahlen gewesen sein (eben geschaut: 08.Juni.1986). Ob es in der DDR eine Wahlpflicht gab, weiss ich nicht, aber bei der Armee auf jeden Fall, denn die Teilnahme wurde befohlen. Ich kann mich an den Akt der Wahl kaum noch erinnern, meine aber, dass da noch nicht mal Wahlkabinen waren.

    Wer also nicht zur Wahl ging (geheim waehlen oder alternativ waehlen ging ja nicht), der beging Befehlsverweigerung. Wie schon bei ‚NVA‘ geschrieben, war die geopol. Lage und besonders das Kriegsrecht in Polen genug Anlass, dass die Fuehrung arg nervoes war.

    Dennoch fand sich ein Soldat, noch dazu aus meiner Kompanie, der sagte „Noe, mach ich nich …“. Ich weiss nicht mehr exakt die Gruende warum, aber ich erinnere, dass es voellig unpolitisch war. Irgendwas wie kein Urlaub wegen: Frau hat entbunden, Probleme in der Familie, wichtiger Geburtstag …

    Der Wahltag „im Objekt“ war eigentlich ein „freier Tag“. Nach der Ansage durfte die Kompanie natuerlich antreten und die Stasi (die in jedem Objekt eine eigene Filiale unterhielt) pickte sich dessen Zimmergenossen und von „Kameraden“ naeher bezeichnete Freunde zum Verhoer heraus. Ich habe ihn an dem Tag nicht mehr gesehen, aber die Geruechtekueche brodelte natuerlich.

    Ich weiss nicht, ob er das bis zum Ende durchgehalten hat, denn am Montag wurde unsere Einheit aufgeteilt, die Zuege an verschiedene entfernte Truppenteile in der ganzen Republik verteilt und irgendwann kam dann ja schon der Drushba86-Albtraum …

    Ein paar Tage vor der Entlassung kam die Kompanie wieder zusammen. Der Soldat war nicht dabei, es wurde nicht darueber gesprochen und jeder (mich eingeschlossen) uebte sich eifrig in Verdraengung.

    Meine Stasiakte habe ich in Europa zurueckgelassen als ich ich von dort ausgewandert bin, daher konnte ich jetzt nicht nachschlagen. Ich bin aber ziemlich sicher, dass selbst darin nichts zu diesem Vorfall steht – obwohl sonst das Thema Armee in diesem Konvolut einen grossen Raum einnimmt.

    Ich erinnere mich auch, dass der Soldat ob des Mutes den Befehl zu verweigern, bei vielen Soldaten praktisch unbegrenzete Verehrung erlangte – auch wenn sich dieser Mut vermutlich aus reiner Verzweiflung speiste (mein Kandidat nachtraeglich zum BoS-Award …).

    PS: Ich weiss nicht, wo man hier im Podcast weitere Themen vorschlagen kann, daher versuch ich’s mal hier:
    * Homosexualitaet wurde ja schon angesprochen, was ich wirklich interessant finde. Ich habe sogar einen Freund, der genau aus diesem Grund einen Antrag stellte …
    * Randgruppen; bekanntlich war ja Thueringen (und die heimliche Hauptstadt Jena des bezirkes Gera) eine Hochburg der DDR-Hippies, Berlin hatte eine veritable Punk-Szene und in Warnemuende gerierte sich als DDR-Ibiza. Dort tummelten sich die Popper vor den wenigen Diskotheken.
    * Auslaender in der DDR; Es gab entgegen der Annahme vieler Westler recht viele Auslaender in der DDR. Die Nachwende-Auslaenderfeindlichkeit speiste sich keineswegs aus „die kannten das ja nich“. In meiner Schulklasse waren z.B. zwei Griechen, spaeter auf Arbeit war ich mit Vietnamesen, Chilenen und Algeriern zusammen. In jeder groesseren Stadt gab es „Russen“ – auch wenn man sie selten sah.

  2. Hallo, ich möchte mich auch mal für diesen Podcast bedanken. Als Westkind lerne ich bei euch mehr über das Leben in der DDR als in der Schule oder in anderen Medien. Das sind sehr wertvolle Zeitzeugen-Dokumente, die man hoffentlich auch in 200 Jahren noch hören kann.

    Und nebenbei macht ihr das auch noch sehr unterhaltsam und sympathisch. Weiter so!

    • Danke! Schön, dass wir für Dich das Leben in der DDR fassbar machen können. Das freut uns sehr! Und anscheinend muss ich mir schon mal um die Langezeit-Archivierung Gedanken machen!

  3. Im letzten ABI Jahr mussten wir geschlossen, „als Klassen-Kollektiv“ zur Wahl gehen. Ich weiss gar nicht mehr wie das organisiert war, das Wahl-Lokal war dann wohl am Schulort in der Kreisstadt und nicht am Wohnort.

    Jetzt das Lustige:
    Nachdem unser Lehrer erklärt hatte, wo wir uns treffen etc, fragte er nochmals nach, ob wir alles verstanden haben und er wies uns darauf hin, pünktlich zu sein.
    Ich meldete mich und sagte, dass ich nicht zur Wahl komme.
    Ruckzuck saß ich beim Direktor und wurde von 2 fremden Herren in die Mangel genommen. Nach ca. 30min kam ich das erste Mal zu Wort und konnte aufklären warum ich nicht wählen gehe: Ich war als Einziger in der Klasse noch keine 18 und damit nicht wahlberechtigt war. Damit war ich natürlich fein aus dem Schneider. 😉

    Klar, ich hatte das Szenario provoziert – war aber trotzdem überrascht wie schnell die Repressions-Maschinerie in der DDR anläuft.

    • Tolle Anekdote! Und zum Glück ohne Nachspiel. Ein wenig auf den Schlips getreten durften sich die Herren ja schon fühlen 🙂 Aber Hut ab vor Deinem Mut, das bis zum Ende durchzuziehen.

  4. Hallo,

    Vielen Dank für diese Folge und vielen Dank für diesen Podcast.
    Als Ergänzung zwei Videolinks: Eine Erzählung einer Wahlverweigerin:
    http://www.youtube.com/watch?v=GMswni09vp4
    und ein Bericht eines der Mitglieder der Wahlbeobachtungsgruppen:
    http://www.youtube.com/watch?v=s56-78rDa3g
    Beim Anschauen der Videos lief es mir kalt über den Rücken. Die naheliegende Frage, die auch in der Folge angesprochen wurde, weshalb eigentlich das Regime auf echte Beteiligung setzte, wenn doch die Ergebnisse ohnehin gefälscht waren, lässt sich aus meiner Sicht nur damit beantworten, dass der eigentliche Charakter der Wahlen in der DDR nicht der der Legitimation war, sondern die Forderung nach einer Geste der Unterwerfung.

    • Und auch, um (nach außen) den Schein einer „Demokratischen Republik“ zu wahren. Außerdem sah das System ja keine Diktatur vor, sondern wollte gerne mit gewählten Vertretern der Arbeiter und Bauern assoziiert werden.

  5. Als BRD Bürger hat man uns auch jahrelang von der Machtlosigkeit der „Blockflöten“ erzählt, bei drei kurzen Besuchen in der DDR zwischen 1985-1988 mußte ich aber feststellen, daß sie so machtlos gar nicht waren.
    M.M. nach kommt die wirtschaftliche Bedeutung der parteieigenen Firmen viel zu kurz, auch bei der historischen Aufarbeitung, sofern sie überhaupt stattfindet. ( CDU + FDP haben ja die vier Parteien übernommen und sind daran gar nicht interessiert ).
    z.B. hatte die NDPD sehr lukrative Buchlizenzen ( die hätte ich eher bei SED oder FDJ vermtuet ), sowie Baufirmen, usw.

    Mich wundert in dem Podcast, daß die Eltern erst später als Erwachsene auf die Blockparteien aufmerksam wurden, denn an den Kiosken wurden doch die Zeitungen der Blockparteien verkauft.

    • Über die Rolle der Blockparteien bzw. deren Beteiligungen an Firmen kann ich leider nichts sagen. Eventuell lohnt das eine Recherche. Soweit ich weiß, haben meine Eltern selten Zeitungen und Zeitschriften am Kiosk gekauft … Hauptnachrichtenquelle waren die Westnachrichten.

      • @ nitramred:
        Erst einmal ein großes Lob für Ihren/euren Blog.
        Ich habe ihn erst vor ein paar Wochen entdeckt, bin nur selten im Netz.
        Ich bin in den 80ern für den Buchhandel und später für mein Fernsehfachgeschäft in der DDR gewesen, also „nur“ aus beruflichen Gründen.
        Mir war diese „NDPD“ bis zu meinem ersten Besuch in der DDR völlig unbekannt, aber die Geschäftspartner mit denen ich zu tun hatte waren alle dort Mitglied, bzw. gehörten der Verlag und auch ein Elektronikvertrieb zur Partei.

        Bei „Nationaldemokratischer Partei Deutschlands“ hatte ich als Westdeutscher natürlich erst einmal andere und sehr negative Assoziationen.
        Damals sagte man mir, daß die „NDPD“ genau das Gegenteil der nazistischen westdeutschen NPD ist, trotz der Namensgleichheit. ( Erst in den 90er bekam ich mehr HIntergrundwissen und es gab da schon einige bedenkliche Spitzenpolitiker in der NDPD, sowie viele Seltsamkeiten, die hier zu weit führen würden.)
        Auch als ich die „Nationalzeitung“ am Kiosk sah, in der „BRD“ ja ein fürchterliches Hetzblatt des DVU Gründers Gerhard Frey, kam ich mir wirklich komisch vor. Ich war in der „antifaschistischen“ DDR und hatte als Gesprächspartner mit „Nationaldemokraten “ zu tun, im Kiosk war die „National-Zeitung“ ganz oben, während man das Blättchen gleichen Namens in der „BRD“ fast nur unter dem Ladentisch anbot.
        Die Ausrichtung der DDR „Nationalzeitung“ war dann natürlich eine andere, eine Art „Neues Deutschland“ mit patriotischeren Tönen.
        Ein Geschäftspartner schickte mir dann bis zur Wende immer einige Exemplare mit.
        Ich las auch jeweils eine andere Blockparteizeitung, die CDU „Neue Zeit“ und LDPD „Der Morgen“, soweit ich weiß hatte die Bauernpartei keine.
        Mein Bedürfnis nach weiteren Zeitungen dieser beiden Parteien war jedenfalls nach 1 Zeitung gedeckt.
        Vielleicht bildete ich es mir ein, aber bei bestimmten Themen glaubte ich zwischen den Zeilen in der National-Zeitung doch mehr Kritik wahrzunehmen.
        z.B. die Verteidigungspolitik oder das Embargo gegenüber dem RGW für hochwertige Elektronik und Computer. Aber auch der eklatante Ersatzteilmangel.
        Im „ND“ gabs den doch gar nicht.;-)

        Ein Beitrag über die NDPD wäre jedenfalls sehr interessant.

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